Dokumentation der Konferenz vom 5. Mai 2021
Von Torsten Möller
Einleitung:
Die Dinge sind im Fluss – und es ist nicht klar, wohin die Reise geht. Fest steht: Für Kulturarbeit gibt es keine Patentrezepte. Sowohl Künstler*innen wie Kulturförderer*innen und Institutionen müssen auf den gesellschaftspolitischen Wandel reagieren. Sie müssen die Zeichen der Zeit erkennen, um vor dem Hintergrund zahlreicher Paradigmenwechsel auch in Zukunft für eine florierende Kulturlandschaft in Nordrhein-Westfalen zu sorgen.
Zukunft KULTUR NRW stand unter besonderen Vorzeichen: Zu nennen wäre natürlich die Pandemie, die nicht nur das digitale Format der Konferenz mit sich brachte. Die flächendeckende Schließung der Veranstaltungs- und Kulturorte 2020/21 hatte zur Folge, dass viele Kulturschaffende ihren Beruf nicht ausüben und kein Einkommen erwirtschaften konnten. Die prekäre Wirtschaftslage vieler solo-selbständigen Künstler*innen ist aber auch jenseits der Corona-Krise ein „Schlüsselproblem“ – so Gerhart Baum, Vorsitzender des Kulturrat NRW, in seiner Begrüßungsrede. Dazu gehören das oftmals geringe Einkommen, und die mangelhafte soziale Absicherung jener freien und selbstständig arbeitenden Kunst- und Kulturschaffenden, die für ein vitales Kulturleben unerlässlich sind.
Gerhart Baum sieht Corona als „Verstärker“. Vielleicht, so der Eindruck von der im digitalen Raum stattfindenden Konferenz, brachte das Virus auch ein grundsätzliches Sinnieren über Dinge mit sich, zu denen man im schnelllebigen „Alltagsgeschäft“ gar nicht gekommen wäre. Im Mittelpunkt standen Signale für die Selbstbehauptung der Kultur: Das berührt Fragen des gesellschaftlichen Strukturwandels, die Veränderungen in städtischen wie ländlichen Räumen, die Diversität und Digitalität. Die Konferenz ging aber darüber hinaus: Auch Aspekte der Bürokratie, der kulturpolitischen Repertoire- und Perspektiverweiterung wurden bedacht im Sinne der Frage: „Wie kann Kulturförderung zielorientierter und effizienter erfolgen?“
Jörg Stüdemann, Stadtdirektor Dortmund und Vorsitzender des Kulturausschusses des NRW Städtetags, sagte in seinem Einführungsvortrag, Corona „öffne die Augen“. Der anschließende Input von Isabel Pfeiffer-Poensgen, NRW-Ministerin für Wissenschaft und Kultur gab einen Überblick über die Verfassung der Kultur Nordrhein-Westfalens. Pfeiffer-Poensgen benannte einige Problemfelder: Da wäre die schon von Baum erwähnte prekäre Lage von Kunstschaffenden oder die viel zu wenigen festen Stellen an Musikschulen.
Die Konferenz war in sieben Themenfelder gegliedert. Dazu gehörten die neuen Herausforderungen durch den gesellschaftlichen Strukturwandel wie auch das Thema Diversität oder die Frage, wie eine möglichst effiziente und nachhaltige Kulturförderung in der Stadt aber auch auf dem Land aussehen könnte. In parallel geführten Panels wurden Impulse von je zwei Expert*innen diskutiert. Nach der Tagung werden sich sieben Arbeitsgruppen einer weiteren, vertieften Auseinandersetzung widmen, um konkrete Handlungsempfehlungen an die Politik weiter zu geben. Dass Kultursprecher der Grünen, der FDP, der CDU und der SPD die Konferenz mit offenen Ohren verfolgten, ist ein positives Signal. Eine „Monitoring-Konferenz“ Ende des Jahres soll die Themen auf Grundlage der AG-Arbeit bündeln.
Die vorliegende Dokumentation fasst die zentralen Diskussionspunkte der sieben Themenfelder zusammen.
1. Stadtwandel und Wandelstadt
Der Klimawandel ist in aller Munde. In die Frage, wie Kommunen in das große Thema Klimapolitik sinnvoll eingreifen können, ist auch die Kultur eingebunden. Rein praktische Erwägungen erwähnte Anja Bierwirth, ausgebildete Architektin und Leiterin des Forschungsbereichs Stadtwandel am Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie. Bierwirths Plädoyer für eine „Kultur der Nachhaltigkeit“ umfasste jedoch nicht nur Fragen, wie man den Energieverbrauch von Museen oder Opernhäusern senken kann oder wie Materialien für Kunstwerke oder Bühnenaufbauten mehrfach genutzt werden können. Auch fragte sie, ob Kunst nicht auch dienen könnte als emotionalisierendes Transportmittel von zuweilen schwer zugänglichen wissenschaftsökologischen Erkenntnissen. Bierwirth sieht momentan noch eine gewisse „Abgehobenheit“ der Wissenschaft und der Kultur. Diese sei zu überwinden durch eine transdisziplinäre Öffnung der Kultursphäre.
Dr. Birgit Schneider-Bönninger, Sport- und Kulturdezernentin in Bonn, schloss sich den Thesen Bierwirths an. Man müsse aus der „Kulturblase“ heraus, sagte sie, „viel mehr auf die Menschen zugehen“. Musentempel wie die Oper könnten künftig nicht mehr als ein Ort nur für Oper, sondern sollten auch als Spielorte neuer urbaner Künste und Kulturen dienen; bedingt durch ihre spartenübergreifende Tätigkeit in Bonn kann sich Schneider-Bönninger auch vorstellen, Schwimmbäder zu Kulturorten zu machen.
In Zeiten, wo alles, so Schneider-Bönninger „drunter und drüber“ gehe, stellten sich ganz neue Fragen der Kulturförderung. Starre Verwaltungsapparate behinderten eine dynamische Kulturentfaltung. Sowohl Schneider-Bönninger als auch Bierwirth sehen Nachteile der Säulenstruktur in deutschen Ämtern. Anstelle einer spartentrennenden, vertikal organisierten Verwaltung wäre die Vorstellung einer „Kugelform“ (Bierwirth) die angemessenere Antwort auf die Frage, wie sich eine neue urbane Kultur angemessen unterstützen ließe. Offenbar gibt es in den Niederlanden in der Kleinstadt Rheden ein Pilotprojekt, das eine Stadt-Verwaltung ganz neu aufstellt.
In der das Panel Stadtwandel und Wandelstadt abschließenden Diskussion stand die Frage der Förderung im Zentrum. Christian Esch, Direktor des NRW KULTURsekretariats, fragte danach, wie sich – im Sinne kultureller Nachhaltigkeit – Förderinstrumente verstetigen ließen. Deutlich schälte sich heraus, dass Kulturförderung künftig mehr in Strukturen als in Projekten gedacht werden müsse. Nötig sei auch eine prozessuale, nicht an Ergebnissen orientierte Unterstützung. Somit stünde auch das „Jährlichkeitsprinzip“ der Kulturförderung von Verwaltungen und Kommunen in Frage.
2. Unterstützungsstrukturen für Kultur in der Fläche
In Städten gibt es Theater, Museen, Konzerthäuser- oder Opernhäuser. Auf dem Land hingegen sind Kunst und Kultur deutlich weniger abgebildet. Man müsse – so die einhellige Auffassung dieses Panels – genau schauen: Welche Traditionen gibt es abseits der Ballungsräume, welche Strukturen, welche Vereine? „Spannende Orte gibt es überall“, sagte Sami Darian, Programmleiter von TRAFO – Modelle für Kultur im Wandel, das von der Kulturstiftung des Bundes getragen wird.
Darian war einer Meinung sowohl mit Christine Wingert, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Kulturpolitischen Gesellschaft und Yasmine Freigang von der Kulturabteilung des Landesverbandes Westfalen Lippe (LWL): Die tradierte Vorstellung der Stadt als „Motor der Moderne“ behindere eine adäquate Unterstützung auf dem Land. Eine unvoreingenommene Vernetzung ohne eingeengten Kunstbegriff sei nötig. Hilfreich wären professionelle „Kulturkümmerer“ oder hauptamtliche Kulturmanagerinnen, die sich um ausgewählte Landkreise kümmern. Yasmine Freigang sagte, solche Stellen gäbe es bereits in den ostwestfälischen Kreisen Höxter oder Herford.
Neben einer Prozessförderung im Sinne einer engen Kooperation von Ehrenämtern und Profis könnten Gastspiele oder anderweitige Aktivitäten von städtischen Kulturinstitutionen hilfreich sein, wiewohl diese den Nachteil haben, in der Regel nur punktuell und nicht nachhaltig zu wirken. Ein verstärkter Dialog von Stadt und Land sei, so Darian, sinnvoll – gerade angesichts der Tatsache, dass ländlichen Kommunen oft die Stimmen fehlten, die sich für Kultur einsetzten. Yasmine Freigang bemängelte in diesem Zusammenhang die fehlende mediale Berichterstattung über Kulturveranstaltungen auf dem Land. Zu Recht verwies die Moderatorin des Panels, Antje Nöhren vom Kultursekretariat Gütersloh, darauf, dass dies auch ein grundsätzliches Problem sei.
3. Du bist die Struktur – Zukunft von Kulturorganisation
„Man kriegt Geld, macht eine Aufführung vom Besuch der alten Dame und es kommen 10 Besucher*innen.“ Julia Wissert, Intendantin am Schauspielhaus Dortmund, brachte die Sache auf den Punkt: Der klassische Kanon ist nicht mehr am Puls der Zeit. Der heutige Kunstbegriff verlangt mehr Dynamik. Dass ein tradierter Kanon noch immer die Spielpläne bestimmt, habe vor allem zu tun mit verkrusteten Strukturen an Theatern, Museen, Opern- und Konzerthäusern.
Henning Mohr, Leiter des in Bonn ansässigen Instituts für Kulturpolitik der Kulturpolitischen Gesellschaft schloss sich Wissert an. Intendant*innen, Kurator*innen oder Dramaturg*innen seien „nur“ fachlich ausgestattet; es fehle an Wissen über Personalführung, zudem sei die fehlende Weiterbildung von Führungskräften ein großes Problem. Mohr und Wissert forderten flachere Hierarchien in Kulturhäusern, mehr kommunikative Partizipation, und damit auch mehr Dynamik in allen Bereichen.
Das Panel Du bist die Struktur – Zukunft von Kulturorganisation war bewusst ohne Kurzreferate konzipiert, sondern als reines Diskussions-Panel. In konzisen Beiträgen kamen sowohl die Sehnsucht nach einschneidendem Umdenken zur Sprache wie auch die bestehenden Probleme: Gehaltsstrukturen in Kulturinstitutionen, die Überalterung des führenden Personals oder auch Förder-Richtlinien verhindern Innovationsprozesse. Die im Rahmen der gesamten Konferenz oft zu hörende Forderung nach mehr Prozess- statt Projektförderung tauchte auch hier auf. Neben Förderungs-, Vermittlungs- und Personalstrukturen spielte auch das Thema Digitalität eine Rolle. Julia Wissert sah hier zwar wie Henning Mohr Aufholbedarf, wies aber auch auf die fehlende Technik an Schauspielhäusern hin.
4. Kulturakteur*innen zwischen Förderung, Markt und Sozialpolitik
Die anfangs von Gerhart Baum aufgeworfene Frage der finanziellen Absicherung von Kulturschaffenden stand im Zentrum dieses Panels. Vera Brüggemann ist nah dran an diesem Problemfeld; sie ist im Künstlerhaus Bielefeld tätig als Vertreterin des Vereins Artists Unlimited. In ihrem Beitrag erwähnte sie Grundprobleme: Immer weiter steigende Mieten können Künstler*innen mit einem monatlichen Einkommen zwischen 900 und 1300 Euro kaum bezahlen. Fehlende Wertschätzung, auch Selbstausbeutung, werden da offenbar, wo in Institutionen zwar Direktoren, Kuratoren oder Dramaturgen adäquat bezahlt würden, Künstler*innen aber oft mehr oder weniger leer ausgingen. Brüggemann sah aber auch Positives: Dazu gehören die in der Corona-Zeit initiierten Stipendienprogramme – vor allem die schnelle und unbürokratische Vergabe dieser Stipendien habe sich als sehr hilfreich erwiesen. Solch eine Art der Förderung solle man prüfen auf ihre künftige Tragfähigkeit.
Dieter Haselbach schloss aus der kulturwissenschaftlichen Perspektive an Brüggemann an. Es gebe eine „inverse“ Verdienststruktur: Fest angestellte Musiker*innen verdienten zum Beispiel in einem Orchester gut; freie Musiker*innen hingegen müssten mit weit weniger Geld auskommen, obwohl diese weit höhere Risiken trügen im Hinblick auf mögliche Verdienstausfälle oder deutlich niedrigere Renten. Förderungen im Sinne einer „Subventionskultur“ seien keine Lösung; sie würden nur das Überangebot an Kunst erhöhen. Haselbach schlug eine Art Bürgerversicherung vor, die nicht nur für Kulturschaffende gelten solle, sondern auch für andere Gesellschaftsschichten in prekären finanziellen Verhältnissen. Das im Panel Kulturakteur*innen zwischen Förderung, Markt und Sozialpolitik oft erwähnte Problem fehlender Wertschätzung könnte die Politik durch diese Art Bürgerversicherung kompensieren, indem Kulturschaffen als das anerkannt würde, was es ist: als Arbeit. Und eben nicht als bloßes Privatvergnügen.
In der von Matthias Hornschuh geleiteten Anschlussdiskussion kam das in den letzten Jahren viel diskutierte Thema „bedingungsloses Grundeinkommen“ zur Sprache, das er als „ganz gefährlich“ einschätzt. Der von Brüggemann und Haselbach angesprochene Mangel an Wertschätzung würde nur verstärkt, so Hornschuh, wenn für Kunst grundsätzlich nicht mehr bezahlt würde, wenn Musik oder bildende Kunst quasi verramscht würden mit dem Argument: „Ihr habt ja schon euer Geld!“
5. Digitale Transformation in Kunst und Kultur
Im Panel 5 stand die Digitalisierung dann im Mittelpunkt der Diskussion: Judith Ackermann, Professorin an der FH Potsdam, stellte ebenso ihre Thesen vor wie Jasmin Vogel, Vorständin des Kulturforum Witten. Jörg Stüdemann, Vorsitzender des Kulturausschusses des NRW Städtetatgs, leitete das Panel mit wertvollen Hinweisen.
Judith Ackermann berichtete angesichts schnell erdachter Online-Übertragungen von einer „Notlösung Digitalität“ in Corona-Zeiten. Diese betreffe sowohl die Produktion wie die Rezeption von Online-Formaten. Kulturinstitutionen blieb angesichts sich in Corona-Zeiten überschlagender Ereignisse kaum eine andere Wahl als schnell gestrickte Übertragungen. Auf der anderen Seite stellte Ackermann Befragungen vor, die davon zeugten, dass das „Reale“ gegenüber dem „Digitalen“ als positiver bewertet wird. Dass Digitalformate als Kulturvermittlungsform grundsätzlich verbesserbar sind, sei nicht von der Hand zu weisen. Um etwas dem Medium Angemessenes zu erreichen, dass über einen bloßen Live-Stream hinausgeht, müssten Akteure aus verschiedensten Gebieten zusammenarbeiten. Erst durch solche Kooperationen könnten „Oasen von Möglichkeitsräumen“ entstehen.
Jasmin Vogel sah das Thema Digitalisierung als möglichen Motor eines grundsätzlichen Wandels, der sowohl den gesamten Kultursektor betrifft wie auch die Stadtgesellschaft. Ausgehend von Erfahrungen, die sie im Dortmunder U und im Kulturforum Witten machte, forderte sie mehr Partizipation und Teilhabe der Bevölkerung vor Ort. Bürokratische Organisationen, die aus dem Industrie-Zeitalter stammten, müssten angesichts digital bedingter Paradigmenwechsel dringend auf den Prüfstand.
Jörg Stüdemann ergänzte die Beiträge mit dem Hinweis, dass im Bereich Digitalität Gelder da seien, es aber in Nordrhein-Westfalen an Akteuren fehle, die in diesem Bereich initiativ sein könnten. Es gebe das Medien Netzwerk NRW, aber die Sparte Kultur sei hier nicht oder kaum abgebildet. Jasmin Vogels Forderungen nach neuen Strukturen unterstützte Stüdemann; man könne – wie in der Wirtschaft üblich – an so genannte „Explorationsgelder“ denken, die Prozesse mit offenem Ausgang förderten. Auch an dieser Stelle stand also erneut die Forderung: „Mehr Prozesse statt Projekte!“
6. Diversität im Kulturleben
Kaum ein anderes Bundesland ist so geprägt von Migration wie Nordrhein-Westfalen. Nur: In Kulturinstitutionen spiegelt sich das ebenso wenig wider wie in Kunst- oder Musikhochschulen. Die Kulturwissenschaftlerin und Schriftstellerin Mithu Sanyal ist Tochter eines Inders und einer Mutter mit polnischem Hintergrund. Aufgewachsen im Düsseldorfer Stadtteil Oberbilk hat sie kulturelle Zugangs-Probleme hautnah erfahren. Sie stellte die berechtigte Frage: „Sind wir bildungsfern oder wird Bildung von uns ferngehalten?“
Sanyal sprach von „unsichtbaren“ – Zugangsschranken. Es beginne schon in den Schulen so genannter „Problembezirke“ mit hohem Migrationsanteil. Gerade die Vermittlung von Kreativität werde vernachlässigt, diese wiederum sei unabdingbar für eine künstlerische oder kulturelle Karriere. In ihrem „Parforceritt“ – so der Panel-Leiter Robert von Zahn, Generalsekretär des Deutschen Musikrats, – streifte Sanyal weitere Problemfelder: Es finde eine Auslagerung von Kultur in die so genannte „Soziokultur“ statt, kaum eine Stelle in Kultusministerien sei von Menschen mit Migrations-Hintergrund besetzt, und: Es fehle in vielen sozialen Brennpunkten an selbstverantwortlich organisierten Veranstaltungsorten.
Christian Esch vom NRW KULTURsekretariat Wuppertal knüpfte in seinem Beitrag beim Thema Institutionen an. Sie seien notwendig, um Strukturen zu entwickeln und nachhaltig zu etablieren. Esch berichtete von der Arbeit des „Runden Tischs Diversität“, der 2016 ins Leben gerufen wurde, um einen kulturpraktischen Umgang mit Geflüchteten zu fördern. Er plädierte für einen verstärkten Dialog von Kulturakteur*innen, Politik und Jugendarbeit, der – nach der Abwicklung der Zukunftsakademie vor zwei Jahren – möglicherweise durch die Gründung einer neuen Institution unterstützt werden könnte. Eine solche sei jedoch kein Allheilmittel. Antje Valentin, Vorsitzende der Landesmusikakademie NRW, gab in der anschließenden Diskussion zu bedenken, dass eine Institution die Gefahr einer „Auslagerung von Problemen“ mit sich bringe. Catrin Boß vom Ministerium für Kultur und Wissenschaft in Nordrhein-Westfalen zeigte sich in ihrem Zoom-Beitrag sehr kooperativ. Man sei schon dran am Thema Diversität, das als Querschnittsthema aber Zeit und viele Gespräche erfordere. Boß lud Mithu Sanyal spontan ein, um ihre Gedanken direkt in die Politik einzubringen.
7. Standbeine. Spielbeine. Perspektiven für Kultureinrichtungen (in) der Freien Szene
Die Pandemie hat die Probleme der Freien deutlich sichtbar gemacht: Kurzfristig wirkende Projektunterstützung, auch die nicht selten prekäre Lebenssituation der so genannten „Freien“ zwangen viele, sich andere Erwerbsmöglichkeiten zu suchen, um die Existenz zu sichern. Die Situation ist paradox: Viele Freie wollen keine „Betonisierung“. Andererseits helfen feste Fundamente gerade in Krisenzeiten. Dies unterstrich Jochen Molck vom Zakk Düsseldorf, der in seinem Beitrag den Eindruck beschrieb, dass soziokulturelle Zentren Corona in der Regel gut überstanden hätten.
Hilfreich wären längerfristige Projektunterstützungen, die zudem den Vorteil der Ergebnisoffenheit hätten und damit auch Experimente förderten. Das in der Diskussion zur Sprache kommende Problem, dass Freie trotz ihrer wichtigen Kulturfunktion oft und vor allem in Krisensituationen als Bittsteller dastehen, könnte man, so die Freie Dramaturgin Johanna-Yasirra Kluhs durch die Vorstellung einer Allmende kompensieren. Im Gegensatz zu Jochen Molck sah sie eine Allmende nicht nur als eine Form der Kooperation und Vernetzung. Für Kluhs bot der Begriff viele Chancen, die sich annähernd mit dem Begriff eines gemeinschaftlich organisierten Kollektivs umschreiben ließen, in dem viele Akteure ihre Rollen wechselten. Ein Ideal wäre die Durchdringung verschiedenster Funktionen und Bereiche – sei es die des Kultur-Produzenten und -Konsumenten, vielleicht sogar eine Integration kulturfördernder Institutionen in die Allmende. Sowohl das Gefühl einer Betonisierung wie auch problematisches Hierarchie-Empfinden ließen sich so zumindest aufweichen.
Schlussbetrachtung:
Die Konferenz Zukunft Kultur NRW zeigte: Manche Handlungsempfehlung, die nach der Konferenz an die Politik gereicht werden wird, mag dort zunächst „luftig“ wirken. Aber auch dem Kulturministerium müsste deutlich sein, dass Kurskorrekturen unbedingt nötig sind.
In der abschließenden Gesprächsrunde zeigten sich die NRW-Kulturpolitiker erfreulich gesprächsbereit – das betrifft sowohl Lorenz Deutsch (FDP), Andreas Bialas (SPD), Bernd Petelkau (CDU) wie auch Oliver Keymis (Bündnis 90 / Die Grünen). Erfreulich war auch die Einigkeit aller Anwesenden über die notwendige Erhöhung des Kulturetats. Geld allein wird jedoch manch Schräglage nicht ausgleichen. Es müssen weitere Ideen her, ein Weiterdenken und ein Konkretisieren. Bis zur nächsten Konferenz Ende dieses Jahres ist dies die Aufgabe der sieben Arbeitsgruppen.