3. Du bist die Struktur! – Zukunft von Kulturorganisation

Im Nachgang der ersten Konferenz vom 5. Mai 2021 bildete sich eine Arbeitsgruppe, die für das o.g. Thema Handlungsempfehlungen erarbeitete und formulierte. Diese können Sie unter folgendem Link lesen:

Handlungsempfehlung der Arbeitsgruppe “Du bist die Struktur”

Alle Texte und Materialien zur Digitalkonferenz vom 5. Mai 2021 finden Sie ab hier:

Kunst und Kultur sind nicht die einzigen Gesellschaftsbereiche, die in der Corona-Krise massiv unter Druck geraten sind und im Wettstreit um ihre wie immer definierte »Relevanz« in der Gesellschaft stehen. Die Relevanz der Kultureinrichtungen gilt es vor dem Hintergrund der Krise neu zu definieren, darzustellen und wirksame Leitbilder zu entwickeln. Dabei muss auch die Bedeutung von Kultur als Bildungsaufgabe immer im Blick sein. Die Diskussion einer Strukturveränderung im Kulturbereich wird spätestens angesichts der Auswirkungen der Corona-Krise dringlicher. Wie können Transformationsbedarfe für eine relevante Kulturpraxis hin zu mehr Resilienz und Anpassungsfähigkeit umgesetzt werden und welche kulturpolitischen Voraussetzungen sind dafür notwendig?

Die Entstehung von Kunst ist in aller Regel auf eine Infrastruktur angewiesen. Das nordrhein-westfälische Kulturleben bietet eine breite und ausdifferenzierte Infrastruktur, die im hohen Maße Fördergegenstand ist. Welche alternativen Formen der Strukturstärkung wie beispielsweise Lastenteilungen und verstärkte Kooperationen zwischen Freier Szene und Kultureinrichtungen mit auskömmlicher öffentlicher Zuwendung gibt es bereits und was fehlt? Und wie sehr muss das Wachstumsparadigma in der Kulturpolitik hinterfragt werden?

Welche Orte brauchen Kunst und Kultur? An welchen Orten strahlen sie aus? Welche Orte ziehen Adressaten an? Am Beispiel des Vergleichs urbaner und ländlicher Kulturen (vgl. 1.1 und 1.2) ließen sich integrierte Angebots-Konzepte für mehr und neue Zielgruppen denken.

 

Thesen

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Dr. Henning Mohr
Leiter des Instituts für Kulturpolitik der Kulturpolitischen Gesellschaft, Bonn

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Julia Wissert
Intendantin des Schauspiel Dortmund

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Dr. Christine Zangs
Beigeordnete für Schule, Bildung und Kultur der Stadt Neuss

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Die Corona-Pandemie wirkt wie ein Brennglas auf die strukturellen Defizite des Kulturbereichs und wirft damit ein Licht auf all‘ die Schieflagen und Ungleichheiten, die wir über einen viel zu langen Zeitraum zwar gesehen, aber verdrängt haben. Die Krise zwingt uns zum Innehalten und führt uns gleichzeitig deutlich vor Augen, dass wir im Handlungsfeld der Kultur nicht einfach so weitermachen können, wie wir es aus der Tradition heraus gewohnt sind.

Es gilt den dominanten Status des Beharrens im Kulturbereich aufzubrechen und die mit der Krise verbundenen Chancen für eine Bestandsaufnahme und entsprechende Weiterentwicklungen zu ergreifen. Agil, kooperativ, digital, partizipativ, nachhaltig und divers ist die Kultur, ist die Kunst durchaus bereits. Doch zeigt sich dies in den Strukturen der Kulturorganisation, in der Art der Leitung, in der Vermittlung, der Auswahl von Themen, der Förderung oder der Kulturpolitik? Eine sich wandelnde Kunst, ein spartenübergreifendes Arbeiten, neue Formate, ein sich stetig veränderndes Rezeptionsverhalten, neue, auch digitale Vermittlungsformen sowie ein im Fluss befindliches Bildungsverständnis verlangen nach neuen Strukturen in allen Bereichen der Kultur.

Im Kontext des gesellschaftlichen Wandels müssen wir die institutionellen Voraussetzungen des Kulturbereichs auf den Prüfstand stellen und gemäß eines sich auch verändernden Kunst- bzw. Kulturverständnisses anpassen.

Daran anknüpfend ist die Zeit der Transformation gekommen. Es ist notwendig, dass wir an unseren organisationalen Selbstverständnissen arbeiten, um gesellschaftlichen Trends wie Digitalität, Diversität und Nachhaltigkeit besser gerecht werden zu können. Dafür bedarf es einer längst überfälligen Strukturoffensive, verbunden mit anderen Formen des Organisierens. Die Zeit der Universalgenies, die an der Spitze alle Entscheidungsgewalt auf sich vereinen, ist vorüber. Wir müssen Hierarchien überwinden und querschnittsorientierte Prozesse stärken, in denen die Expertisen des Kollektivs und damit die Potentiale der einzelnen Beschäftigten stärker berücksichtigt werden. Durch die beständige Selbstreflexion der eigenen Produktionsweisen werden schnellere Anpassungen möglich. Die Strukturen werden dadurch agiler, bleiben also in Bewegung und gehen mit der Zeit.

Deshalb wird dieses Panel gleich damit beginnen und eine besondere Struktur bieten: Keine Inputs mit anschließender Diskussion, stattdessen durchaus einzelne, auch provozierende Thesen, welche sogleich diskutiert werden können. Die kritische, anregende Diskussion mit Allen steht im Mittelpunkt und nimmt den ganzen Raum ein.

Der Wert jeder Meinung ist der Mehrwert für alle!